Autor: Jovana Henschel

Der lange Tag der Beratungsstelle MeinRat

Es geht nicht darum, jemanden zu fragen, wie es ihm geht. Es geht darum zuzuhören, wenn derjenige antwortet!

Und genau das wird seit 2017 in der Beratungsstelle MeinRat vom gesamten Team gelebt. Am 14. Oktober 2021, dem „Langen Tag der Beratungsstelle“ konnten sich die zahlreichen Gäste selbst ein Bild davon machen.

In den Schuhen der anderen gehen – das war das Planungsmotto, das der Arbeit für den “Langen Tag der Beratungsstelle” zugrunde gelegt wurde. Das gesamte Team wollte seinen Gästen zeigen, was die Beratungsstelle MeinRat für die Teilnehmer_innen bedeutet, wie die Abläufe für die Teilnehmer_innen bei MeinRat sind und welche Angebote das Team den Teilnehmer_innen bieten, um deren Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen und/oder zu erhalten.

Was wäre die Beratungsstelle MeinRat ohne ihre Kooperationspartner_innen?
Zusammenarbeit wird in diesem Projekt großgeschrieben. Sei es mit den NIEBE-Partner_innen, um den Teil-nehmer_innen einen niederschwelligen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen, seien es KOBV und ÖZIV, die den Teilnehmenden bei MeinRat umfassende Informationen zu den Themen Behinderung und Pension geben oder die Schuldnerberatung, die mit den Menschen direkt hier im Haus die ersten Informationsgespräche führt und damit die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, herabsetzt.

Es war daher eine große Freude, dass so viele der Kooperationspartner_innen Zeit fanden, die Beratungsstelle zu besuchen und sich selbst zu präsentieren.

Der „gute Draht“ zu den AMS-Berater_innen ist in der täglichen Arbeit ein wichtiger Baustein, um für die Teilnehmer_innen die bestmögliche Lösung zu finden. Schön, dass eine Delegation des AMS den „Langen Tag der Beratungsstelle“ zum Anlass nahm, die Beratungsstelle und ihre Arbeit live zu erleben.

Danke für die gute Zusammenarbeit!

Ein weiteres Highlight war der Besuch von Bischof Wilhelm Krautwaschl bei MeinRat im Gürtelturm. Gemeinsam mit einer Delegation nahm er die Möglichkeit wahr sich zu informieren, mitzumachen und sich mit Gästen, Mitarbeiter_innen und Teilnehmer_innen auszutauschen.

Vielen Dank auch den zahlreichen Teilnehmer_innen, die den Tag so lebendig gemacht haben.

Ein weiteres Highlight – Das AMS zu Gast bei MeinRat!
Zu Besuch waren auch die Geschäftsstellenleiter des AMS Graz-West, Christian Namor und der Geschäftsstellenleiter des AMS Graz-Ost, Jürgen Schrei, sowie auch Martina Zweiger von der Abteilung Förderungen des AMS Steiermark.

Hier eine Zusammenfassung der Gespräche mit der Dame und den Herren.

Beide Geschäftsstellenleiter haben auf die Frage: „Wie wichtig ist MeinRat für Sie?“ unisono und spontan gesagt:“ MeinRat ist für unsere Arbeit unverzichtbar! Hier bei MeinRat ist aber auch das Expertenwissen gebündelt, das beim AMS so nicht vorhanden ist. Auch übersteigen die Problemlagen der Teilnehmenden die Kapazitäten im AMS“.

Wenn die AMS-Berater_innen mit ihren Kunden nicht weiterkommen, weil soziale und/oder gesundheitliche Probleme vorhanden sind, ist MeinRat die beste Empfehlung. Das MeinRat-Team kann mehr als Arbeit vermitteln, was die eigentliche Aufgabe der AMS-Berater_innen ist. Das AMS sucht sehr wohl aus, wer zu MeinRat geschickt wird. Der  Eindruck, Teilnehmer_innen würden nur abgeschoben, ist definitiv falsch. Aus Sicht der AMS-Berater_innen übererfüllt MeinRat die Erwartungen. Wenn man als Erfolg wertet, dass  Teilnehmende, die beim AMS aufgrund sozialer und/oder gesundheitlicher Probleme unmotiviert erschienen, irgendwann motiviert wiederkommen oder ihre Probleme lösen können, dann ist das ein Erfolg. Und somit hat MeinRat mit ihrer Arbeit 96% Erfolg. MeinRat bietet einen bunten Strauß an Möglichkeiten, den das AMS einfach nicht anbieten kann.

Auch die beiden Geschäftsstellenleiter des AMS Graz-Ost und Graz-West  freuen sich über die vielen positiven Rückmeldungen. Beide wünschen sich für die Zukunft  langfristige Stabilität und weiterhin gute Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle MeinRat.

Martina Zweiger von der Abteilung Förderungen des AMS Steiermark streicht heraus, dass die Erwartungen an MeinRat mehr als erfüllt sind und sich die Erfolgsbilanz sehen lassen kann. „Es war von Anfang an ein Erfolg, wir haben miteinander gestaltet und alles positiv vorangebracht,“ und so soll es bleiben, wenn es nach Martina Zweiger geht.

Wir freuen uns darauf mit den Teilnehmer_innen die vielen tollen Angebote umzusetzen sowie die Erfolge zu erleben und blicken gespannt der Zukunft entgegen.

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Das Konzept der Beratungsstelle MeinRat – Säule Gesundheit

Die Gesundheit nimmt zweifellos einen prägnanten Einfluss auf unsere Stabilität im Alltag und weiters auf die individuellen Arbeitsmarktchancen.

In unseren Beratungs- und Betreuungsleistungen bildet die Gesundheit eine der 5 Säulen, auf die sich unser gesamtes Angebot stützt. Mit verschiedensten Aktivitäten laden wir unsere Teilnehmer_innen dazu ein, ihre physische wie auch psychische Gesundheit kontinuierlich zu verbessern. Dabei geht es nicht darum, körperliche Hochleistungen zu erbringen oder sich bei uns einer Gesprächstherapie zu unterziehen. Vielmehr setzen wir auf Aktivitäten, die von jeder/jedem Teilnehmenden in Anspruch genommen werden können und dies aus Eigenantrieb heraus.

Ein Paradebeispiel unserer Workshops ist wohl „Talking by Walking“, ein gemeinsames „Reden im Gehen“ – Bewegung gepaart mit Plaudern in netter Gesellschaft- und genau das schätzen unsere Teilnehmenden so an diesem Workshop „…weil man würde ja nicht zwei Stunden stehen und reden“ (Zitat eines Teilnehmenden). Die Kombination aus Bewegung in frischer Luft und Tageslicht wirkt als natürlicher Stimmungsaufheller und regt die Serotonin- und Vitamin D-Produktion an. Der Stoffwechsel kommt in Schwung, der Blutdruck sinkt, der Sauerstoffgehalt im Blut steigt. Zudem wirkt Gehen gegen Stress- und als Burnout-Prophylaxe. „Talking by Walking“ können unsere Teilnehmenden regelmäßig in Anspruch nehmen und somit ihr physisches wie auch psychisches Wohlbefinden kontinuierlich stärken und stabilisieren.

Ein weiterer Workshop, der regelmäßig stattfindet, ist „F.I.T. – Fit in den Tag“, im Zuge dessen leichte Bewegungsübungen gezeigt und gemeinsam durchgeführt werden. Das Besondere an diesem Bewegungsworkshop ist, dass es sich um Übungen handelt, die problemlos in den Alltag integriert und mit Hilfe von Alltagsgegenständen wie einem Stuhl durchgeführt werden. Somit können und sollen die Übungen über den Workshop hinaus auch in den eigenen vier Wänden oder im Freien, allein oder gemeinsam mit Freunden – je nach Bedarf und persönlichen Ressourcen- fortgesetzt werden. Zudem haben wir diese Übungen auch frei zugänglich über unsere Homepage online gestellt, um sicher zu gehen, dass auch Teilnehmende, die diesen Workshop nicht besuchen können, Zugriff auf diese Alltagsübungen haben.

Neben regelmäßigen Workshops bieten wir auch immer wieder spezielle Angebote an, die wir in Zusammenarbeit mit namhaften Kooperationspartner_innen durchführen. So auch „Meine Gesundheit- Meine Entscheidung“, ein dreiteiliger Workshop in Kooperation mit der ÖGK. Im Mittelpunkt stehen Themen wie Einflüsse auf die Gesundheit, daraus resultierende Chancen, Rechte als Patient_in, Vorbereitung auf Gespräche mit Ärzten und Ärztinnen und die kritische Beschaffung wie auch Bewertung diverser Informationen über Gesundheit. Die Diskussion und Bearbeitung dieser Themen mit Expert_innen auf diesem Gebiet unterstützt und stärkt unsere Teilnehmenden in ihrer Eigenverantwortung für ihre Gesundheit.

Dieser Einblick in nur drei unserer vielseitigen Beratungs- und Betreuungsleistungen, die sich rund um die Gesundheit drehen, zeigt deutlich, welch wertvollen Beitrag unsere Workshops für die persönliche Stabilisierung liefern.

 

Wir freuen uns darauf mit den Teilnehmer_innen die vielen tollen Angebote umzusetzen sowie die Erfolge zu erleben und blicken gespannt der Zukunft entgegen.

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Das Konzept der 5 Säulen – die Basis für seelisches Gleichgewicht

Unsere Arbeitsweise in der Beratungsstelle MeinRat baut auf die 5 Säulen der Identität nach Petzold auf, alle Angebote sind den Säulen zuordenbar.

Sie stärken die Persönlichkeit und richten sich nach den unterschiedlichen Bedürfnissen jedes Individuums. Sie schaffen Stabilität und wahren bzw. erhöhen die Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt. Unsere innere Stärke ist angeboren. Sie hilft uns von klein auf dabei, Belastungssituationen stabil entgegentreten zu können.

Wenn das seelische Gleichgewicht aus dem Lot gerät, kann das auch Gefahr für die innere Stärke bedeuten. Besonders anschaulich lässt sich das an dem Modell der 5 Säulen der Identität nach dem deutschen Psychologen Hilarion Petzold erklären.

Wir fördern gezielt die Gesundheit von Körper und Psyche. Dazu beschäftigen wir uns mit zentralen Themen wie Ernährung, Schlaf sowie Bewegung.

Mut zur Kommunikation, gemeinsamer Austausch heißt zuhören und teilhaben. Wir bieten den sicheren Raum sich zu öffnen und in Interaktion mit unseren Mitmenschen zu treten.

Aktiv sein und Leistung erbringen. Wir sind überzeugt, das dies für jeden individuell und vielschichtig möglich ist. Wir unterstützen bei der Ausbildung, Sprache und Jobsuche.
Materielle Sicherheit entlastet. Wir beraten in finanziellen Fragen und bieten Unterstützung wenn es um Wohnen, Konsum oder Mobilität geht.
Den persönlichen Handlungsspielraum erweitern. Wir bieten unterschiedlichste Angebote zum Erwerb von Fachwissen und zur Kompetenzerweiterung.

Um seelisch ausgeglichen zu sein, sollten alle 5 Säulen der Identität stabil stehen und keine großen Schwachstellen haben. Die Stabilität der einzelnen Säulen kann durch unterschiedlichste Dinge geschwächt werden. 

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Die Plaudertasche – eine Zeitung mit viel Herz und Humor

Die Plaudertasche ist die hauseigene Zeitung der Beratungsstelle MeinRat, die einmal im Monat erscheint.

Besonders hervorzuheben ist natürlich der Einsatz von Britta Zollneritsch, denn sie ist das Herzstück der Plaudertasche. Mit unermüdlichem Einsatz spürt sie, gemeinsam mit den Teilnehmer_innen, immer wieder spannende Themen und aufregende Aufhänger für die Zeitung auf. Mit viel Liebe zum Detail hat Britta Zollneritsch ein Medium auf die Beine gestellt, das von Teilnehmer_innen für Teilnehmer_innen gemacht wird.

In gemeinsamen Redaktionssitzungen werden Überschriften gefunden, unterschiedlichste Themen besprochen und Artikel bearbeitet. Interviews werden geführt und die unterschiedlichen Sichtweisen beleuchtet.

Durch das Schreiben, das Mitwirken und das Interviewen wird das Selbstbewusstsein unserer Teilnehmer_innen gestärkt. Sie lesen wieder mehr und natürlich wird auch das Allgemeinwissen verbessert. Das wirkt sich wiederum merklich positiv auf die Erstellung von Bewerbungsunterlagen und in weiterer Folge auch auf die Erfolge bei Vorstellungsgesprächen aus.

Neben einem Hauptthema finden sich in jeder Plaudertasche auch jede Menge Informationen rund um die Beratungsstelle MeinRat. Es werden Workshops und Aktivitäten vorgestellt, Termine angekündigt und Artikel über Veranstaltungen geschrieben.

Die Plaudertasche ist eine Mitmach-Zeitung und freut sich über Artikel, Reportagen, Interviews, Gedichte, Geschichten, Fotos, Rezepte und vieles mehr von allen Teilnehmer_innen. Durch die Plaudertasche möchte Britta Zollneritsch die Kreativität und auch die Selbstständigkeit der Teilnehmer_innen fördern und auch fordern.
Sie möchte ihnen ein Medium zur Verfügung stellen, in dem sich Teilnehmer_innen ausdrücken können, denn alle, die mitmachen überlegen sich selbst ein Thema, worüber sie dann eigenständig recherchieren und den Beitrag schreiben.
Natürlich wird dafür auch Unterstützung angeboten, aber es sollen auch Mut und Fantasie in den Teilnehmer_innen geweckt werden, selbst zu gestalten und umzusetzen.

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Ein Jahr Beratungsstelle MeinRat Mureck – ein Rückblick auf ein spannendes und forderndes Jahr

Am 01.07.2020 war es soweit, der neue Standort der Beratungsstelle MeinRat wurde eröffnet.

Mit viel Spannung und natürlich auch etwas Stolz durften wir MeinRat Mureck Schritt für Schritt wachsen lassen, um den Teilnehmer_innen ein adäquates Beratungs- und Betreuungsangebot zur Wahrung bzw. Erhöhung ihrer individuellen Arbeitsmarktchancen zu bieten.

Christina Maria Augustin hat mit sechs Teilnehmer_innen in Mureck begonnen. Innerhalb kurzer Zeit waren bis zu 50 Teilnehmer_innen in Betreuung.
Der Start im Sommer war gut gewählt, da die Corona-Maßnahmen gelockert wurden und die Teilnehmer_innen die Möglichkeit hatten, die Angebote der Beratungsstelle wieder persönlich zu nutzen. Mit Schwinden des Sommers und dem Fallen der Temperaturen veränderte sich jedoch auch die Form der Beratung. Gruppenangebote mussten zuerst begrenzt und dann gänzlich eingestellt werden. Einzelberatungen zur Bewerbungsunterstützung und zur Stabilisation durften eine Weile nur in Ausnahmefällen vor Ort abgewickelt werden. Die meisten Hilfestellungen wurden telefonisch oder online gegeben.

Zugegeben, zu Beginn war diese Übergangslösung der telefonischen Beratung für die Einwohner_innen von Mureck, die gerne persönlich vor Ort in der Beratungsstelle MeinRat waren, sehr gewöhnungsbedürftig, aber auch diese herausfordernde Zeit haben wir gemeinsam gemeistert: Ob persönliche Stabilisierung, Unterstützung in der Alltagsbewältigung oder bewerbungsunterstützende Anliegen – je nach individueller Ressourcen fanden wir gemeinsam einen Weg, um unsere Teilnehmer_innen kompetent zu begleiten. So war es uns trotz Lockdown möglich, die individuellen Arbeitsmarktchancen zu wahren, Chancen auf eine perspektivische Arbeitsmarktintegration zu erhöhen und die einen oder anderen beim Übergang in ein adäquates Sozial- und Versorgungssystem zu unterstützen.

Im Frühjahr konnten wir wieder vermehrt persönliche Treffen in der Beratungsstelle anbieten und die Teilnehmer_innen haben dies auch gerne in Anspruch genommen.
Christina Maria Augustin und später dann ihre Nachfolgerin Yvonne Sammer, durften und dürfen in viele spannende und interessante Lebensgeschichten eintauchen, auf Entdeckungsreisen nach verborgener Ressourcen gehen und zuhören, wenn es notwendig war und ist.

Immer öfter wird uns bewusst, wie wichtig ein Projekt, wie die Beratungsstelle MeinRat für alle Teilnehmer_innen ist. Uns ist es nicht nur gelungen, Menschen auf dem Weg zurück auf den Arbeitsmarkt zu begleiten, MeinRat ist für unsere Teilnehmer_innen auch ein Ankerpunkt und ein Ort der sozialen Verknüpfung.

Wir freuen uns darauf mit den Teilnehmer_innen die vielen tollen Angebote umzusetzen sowie die Erfolge zu erleben und blicken gespannt der Zukunft entgegen.

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Aktion Dankbarkeitsbäumchen

MeinRat – Wir fokussieren das Thema ARBEIT!
Wir stabilisieren, wir wahren und erhöhen die Chance zur Integration in den Arbeitsmarkt. Oder, wir unterstützen beim Übergang in ein adäquates Sozial- und Versorgungssystem.

Aktion Dankbarkeitsbäumchen

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Lebensqualität der Gesellschaft zum Teil sehr beeinträchtigt ist, wollen wir einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, um Aspekte wie Einsamkeit, physischer Distanz und mentaler Erschöpfung entgegenzuwirken und die Gedanken auf etwas Positives zu richten.

Diesbezüglich nehmen wir am Projekt „Dankbarkeitsbaum“ von „Gemeinsam statt Einsam“ teil. Hierfür haben wir ein Dankbarkeitsbäumchen aufgestellt, welches im Foyer des Gebäudes „Gürtelturm“ am Gürtelturmplatz 1 in 8020 Graz zu finden ist (bitte Öffnungszeiten beachten).

Jede/r Mitbürger_in kann ihre/seine positiven Gedanken oder ihr/sein Gefühl der Dankbarkeit auf den dort zur Verfügung stehenden Holzschildern verschriftlichen. Gerne können auch (selbstgebastelte) Accessoires als Zeichen der Dankbarkeit am Baum angebracht werden.

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Corona Virus- Was denken unsere Teilnehmer*innen über die derzeitige Situation?

 

“Wir machen täglich viele gefährliche Dinge. Da wir meist unser Handeln abschätzen und kontrollieren können, sehen wir diese Gefahren locker. Am Beispiel Influenza: Wir leben damit, jedoch nur 8% der Österreicher lassen sich impfen. Die aktuelle Gefahr ist erstmalig und verunsichert uns daher. Mit der Einhaltung der aktuell vorgegeben Maßnahmen trägt jede*r dazu bei, Ansteckungen aufzuhalten!”

Zu den Folgen des aktuellen Ausnahmezustandes fielen den Teilnehmer*innen auch viele positive Auswirkungen ein:

    • Entschleunigung
    • Zeit für die Familie
    • Überdenken der eigenen Werte
    • Die aktuellen Hygienemaßnahmen bleiben auch zukünftig eingelernt und schützen vor Erkrankungen
    • Umdenken und Aufwertung der Pflegeberufe
    • Weg vom Ich und Zurück zum Gemeinschaftsdenken

Einen weiteren Denkanstoß zur derzeitigen Lage liefert uns der Trend- und Zukunftsforscher, Publizist und Visionär Matthias Horx. Wir sind auf einen äußerst interessanten Text gestoßen, in dem er die aktuellen Geschehnisse und Veränderungen durch den Corona-Virus auf eine ganz eigene Art und Weise beleuchtet. Wir möchten diese Zeilen gerne mit Ihnen teilen & Sie zum Nachdenken anregen:

 

48 – Die Welt nach Corona

Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise „vorbei” ist

Ich werde derzeit oft gefragt, wann Corona denn „vorbei sein wird”, und alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Meine Antwort: Niemals. Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurkationen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten sind jetzt.

Die Welt as we know it löst sich gerade auf. Aber dahinter fügt sich eine neue Welt zusammen, deren Formung wir zumindest erahnen können. Dafür möchte ich Ihnen eine Übung anbieten, mit der wir in Visionsprozessen bei Unternehmen gute Erfahrungen gemacht haben. Wir nennen sie die RE-Gnose. Im Gegensatz zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser Technik nicht »in die Zukunft«. Sondern von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute. Klingt verrückt? Versuchen wir es einmal:

Die Re-Gnose: Unsere Welt im Herbst 2020

Stellen wir uns eine Situation im Herbst vor, sagen wir im September 2020. Wir sitzen in einem Straßencafe in einer Großstadt. Es ist warm, und auf der Strasse bewegen sich wieder Menschen. Bewegen sie sich anders? Ist alles so wie früher? Schmeckt der Wein, der Cocktail, der Kaffee, wieder wie früher? Wie damals vor Corona? Oder sogar besser? Worüber werden wir uns rückblickend wundern?

Wir werden uns wundern, dass die sozialen Verzichte, die wir leisten mussten, selten zu Vereinsamung führten. Im Gegenteil. Nach einer ersten Schockstarre führten viele von sich sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt kam. Verzichte müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, sondern können sogar neue Möglichkeitsräume eröffnen. Das hat schon mancher erlebt, der zum Beispiel Intervallfasten probierte – und dem plötzlich das Essen wieder schmeckte. Paradoxerweise erzeugte die körperliche Distanz, die der Virus erzwang, gleichzeitig neue Nähe. Wir haben Menschen kennengelernt, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Wir haben alte Freunde wieder häufiger kontaktiert, Bindungen verstärkt, die lose und locker geworden waren. Familien, Nachbarn, Freunde, sind näher gerückt und haben bisweilen sogar verborgene Konflikte gelöst.

Die gesellschaftliche Höflichkeit, die wir vorher zunehmend vermissten, stieg an.

Jetzt im Herbst 2020 herrscht bei Fussballspielen eine ganz andere Stimmung als im Frühjahr, als es jede Menge Massen-Wut-Pöbeleien gab. Wir wundern uns, warum das so ist.

Wir werden uns wundern, wie schnell sich plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewährten. Tele- und Videokonferenzen, gegen die sich die meisten Kollegen immer gewehrt hatten (der Business-Flieger war besser) stellten sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Lehrer lernten eine Menge über Internet-Teaching. Das Homeoffice wurde für Viele zu einer Selbstverständlichkeit – einschließlich des Improvisierens und Zeit-Jonglierens, das damit verbunden ist.

Gleichzeitig erlebten scheinbar veraltete Kulturtechniken eine Renaissance. Plötzlich erwischte man nicht nur den Anrufbeantworter, wenn man anrief, sondern real vorhandene Menschen. Das Virus brachte eine neue Kultur des Langtelefonieren ohne Second Screen hervor. Auch die »messages« selbst bekamen plötzlich eine neue Bedeutung. Man kommunizierte wieder wirklich. Man ließ niemanden mehr zappeln. Man hielt niemanden mehr hin. So entstand eine neue Kultur der Erreichbarkeit. Der Verbindlichkeit.

Menschen, die vor lauter Hektik nie zur Ruhe kamen, auch junge Menschen, machten plötzlich ausgiebige Spaziergänge (ein Wort, das vorher eher ein Fremdwort war). Bücher lesen wurde plötzlich zum Kult.

Reality Shows wirkten plötzlich grottenpeinlich. Der ganze Trivia-Trash, der unendliche Seelenmüll, der durch alle Kanäle strömte. Nein, er verschwand nicht völlig. Aber er verlor rasend an Wert.
Kann sich jemand noch an den Political-Correctness-Streit erinnern? Die unendlich vielen Kulturkriege um … ja um was ging da eigentlich?

Krisen wirken vor allem dadurch, dass sie alte Phänomene auflösen, über-flüssig machen…
Zynismus, diese lässige Art, sich die Welt durch Abwertung vom Leibe zu halten, war plötzlich reichlich out.
Die Übertreibungs-Angst-Hysterie in den Medien hielt sich, nach einem kurzen ersten Ausbruch, in Grenzen.

Nebenbei erreichte auch die unendliche Flut grausamster Krimi-Serien ihren Tipping Point.

Wir werden uns wundern, dass schließlich doch schon im Sommer Medikamente gefunden wurden, die die Überlebensrate erhöhten. Dadurch wurden die Todesraten gesenkt und Corona wurde zu einem Virus, mit dem wir eben umgehen müssen – ähnlich wie die Grippe und die vielen anderen Krankheiten. Medizinischer Fortschritt half. Aber wir haben auch erfahren: Nicht so sehr die Technik, sondern die Veränderung sozialer Verhaltensformen war das Entscheidende. Dass Menschen trotz radikaler Einschränkungen solidarisch und konstruktiv bleiben konnten, gab den Ausschlag. Die human-soziale Intelligenz hat geholfen. Die vielgepriesene Künstliche Intelligenz, die ja bekanntlich alles lösen kann, hat dagegen in Sachen Corona nur begrenzt gewirkt.

Damit hat sich das Verhältnis zwischen Technologie und Kultur verschoben. Vor der Krise schien Technologie das Allheilmittel, Träger aller Utopien. Kein Mensch – oder nur noch wenige Hartgesottene – glauben heute noch an die große digitale Erlösung. Der große Technik-Hype ist vorbei. Wir richten unsere Aufmerksamkeiten wieder mehr auf die humanen Fragen: Was ist der Mensch? Was sind wir füreinander?

Wir staunen rückwärts, wieviel Humor und Mitmenschlichkeit in den Tagen des Virus tatsächlich entstanden ist.

Wir werden uns wundern, wie weit die Ökonomie schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich passierte, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung und jedem staatlichen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es einen »schwarzen April« gab, einen tiefen Konjunktureinbruch und einen Börseneinbruch von 50 Prozent, obwohl viele Unternehmen pleitegingen, schrumpften oder in etwas völlig anderes mutierten, kam es nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein atmendes Wesen, das auch dösen oder schlafen und sogar träumen kann.

Heute im Herbst, gibt es wieder eine Weltwirtschaft. Aber die Globale Just-in-Time-Produktion, mit riesigen verzweigten Wertschöpfungsketten, bei denen Millionen Einzelteile über den Planeten gekarrt werden, hat sich überlebt. Sie wird gerade demontiert und neu konfiguriert. Überall in den Produktionen und Service-Einrichtungen wachsen wieder Zwischenlager, Depots, Reserven. Ortsnahe Produktionen boomen, Netzwerke werden lokalisiert, das Handwerk erlebt eine Renaissance. Das Global-System driftet in Richtung GloKALisierung: Lokalisierung des Globalen.

Wir werden uns wundern, dass sogar die Vermögensverluste durch den Börseneinbruch nicht so schmerzen, wie es sich am Anfang anfühlte. In der neuen Welt spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.

Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?

RE-Gnose: Gegenwartsbewältigung durch Zukunfts-Sprung

Warum wirkt diese Art der »Von-Vorne-Szenarios« so irritierend anders als eine klassische Prognose? Das hängt mit den spezifischen Eigenschaften unseres Zukunfts-Sinns zusammen. Wenn wir »in die Zukunft« schauen, sehen wir ja meistens nur die Gefahren und Probleme »auf uns zukommen«, die sich zu unüberwindbaren Barrieren türmen. Wie eine Lokomotive aus dem Tunnel, die uns überfährt. Diese Angst-Barriere trennt uns von der Zukunft. Deshalb sind Horror-Zukünfte immer am Einfachsten darzustellen.

Re-Gnosen bilden hingegen eine Erkenntnis-Schleife, in der wir uns selbst, unseren inneren Wandel, in die Zukunftsrechnung einbeziehen. Wir setzen uns innerlich mit der Zukunft in Verbindung, und dadurch entsteht eine Brücke zwischen Heute und Morgen. Es entsteht ein »Future Mind« – Zukunfts-Bewusstheit.

Wenn man das richtig macht, entsteht so etwas wie Zukunfts-Intelligenz. Wir sind in der Lage, nicht nur die äußeren »Events«, sondern auch die inneren Adaptionen, mit denen wir auf eine veränderte Welt reagieren, zu antizipieren.

Das fühlt sich schon ganz anders an als eine Prognose, die in ihrem apodiktischen Charakter immer etwas Totes, Steriles hat. Wir verlassen die Angststarre und geraten wieder in die Lebendigkeit, die zu jeder wahren Zukunft gehört.

Wir alle kennen das Gefühl der geglückten Angstüberwindung. Wenn wir für eine Behandlung zum Zahnarzt gehen, sind wir schon lange vorher besorgt. Wir verlieren auf dem Zahnarztstuhl die Kontrolle und das schmerzt, bevor es überhaupt wehtut. In der Antizipation dieses Gefühls steigern wir uns in Ängste hinein, die uns völlig überwältigen können. Wenn wir dann allerdings die Prozedur überstanden haben, kommt es zum Coping-Gefühl: Die Welt wirkt wieder jung und frisch und wir sind plötzlich voller Tatendrang.

Coping heißt: bewältigen. Neurobiologisch wird dabei das Angst-Adrenalin durch Dopamin ersetzt, eine Art körpereigener Zukunfts-Droge. Während uns Adrenalin zu Flucht oder Kampf anleitet (was auf dem Zahnarztstuhl nicht so richtig produktiv ist, ebenso wenig wie beim Kampf gegen Corona), öffnet Dopamin unsere Hirnsynapsen: Wir sind gespannt auf das Kommende, neugierig, vorausschauend. Wenn wir einen gesunden Dopamin-Spiegel haben, schmieden wir Pläne, haben Visionen, die uns in die vorausschauende Handlung bringen.

Erstaunlicherweise machen viele in der Corona-Krise genau diese Erfahrung. Aus einem massiven Kontrollverlust wird plötzlich ein regelrechter Rausch des Positiven. Nach einer Zeit der Fassungslosigkeit und Angst entsteht eine innere Kraft. Die Welt »endet«, aber in der Erfahrung, dass wir immer noch da sind, entsteht eine Art Neu-Sein im Inneren.

Mitten im Shut-Down der Zivilisation laufen wir durch Wälder oder Parks, oder über fast leere Plätze. Aber das ist keine Apokalypse, sondern ein Neuanfang.

So erweist sich: Wandel beginnt als verändertes Muster von Erwartungen, von Wahr-Nehmungen und Welt-Verbindungen. Dabei ist es manchmal gerade der Bruch mit den Routinen, dem Gewohnten, der unseren Zukunfts-Sinn wieder freisetzt. Die Vorstellung und Gewissheit, dass alles ganz anders sein könnte – auch im Besseren.

Vielleicht werden wir uns sogar wundern, dass Trump im November abgewählt wird. Die AFD zeigt ernsthafte Zerfransens-Erscheinungen, weil eine bösartige, spaltende Politik nicht zu einer Corona-Welt passt. In der Corona-Krise wurde deutlich, dass diejenigen, die Menschen gegeneinander aufhetzen wollen, zu echten Zukunftsfragen nichts beizutragen haben. Wenn es ernst wird, wird das Destruktive deutlich, das im Populismus wohnt.

Politik in ihrem Ur-Sinne als Formung gesellschaftlicher Verantwortlichkeiten bekam dieser Krise eine neue Glaubwürdigkeit, eine neue Legitimität. Gerade weil sie »autoritär« handeln musste, schuf Politik Vertrauen ins Gesellschaftliche. Auch die Wissenschaft hat in der Bewährungskrise eine erstaunliche Renaissance erlebt. Virologen und Epidemiologen wurden zu Medienstars, aber auch »futuristische« Philosophen, Soziologen, Psychologen, Anthropologen, die vorher eher am Rande der polarisierten Debatten standen, bekamen wieder Stimme und Gewicht.

Fake News hingegen verloren rapide an Marktwert. Auch Verschwörungstheorien wirkten plötzlich wie Ladenhüter, obwohl sie wie saures Bier angeboten wurden.

Ein Virus als Evolutionsbeschleuniger

Tiefe Krisen weisen obendrein auf ein weiteres Grundprinzip des Wandels hin: Die Trend-Gegentrend-Synthese.

Die neue Welt nach Corona – oder besser mit Corona – entsteht aus der Disruption des Megatrends Konnektivität. Politisch-ökonomisch wird dieses Phänomen auch »Globalisierung« genannt. Die Unterbrechung der Konnektivität – durch Grenzschließungen, Separationen, Abschottungen, Quarantänen – führt aber nicht zu einem Abschaffen der Verbindungen. Sondern zu einer Neuorganisation der Konnektome, die unsere Welt zusammenhalten und in die Zukunft tragen. Es kommt zu einem Phasensprung der sozio-ökonomischen Systeme.

Die kommende Welt wird Distanz wieder schätzen – und gerade dadurch Verbundenheit qualitativer gestalten. Autonomie und Abhängigkeit, Öffnung und Schließung, werden neu ausbalanciert. Dadurch kann die Welt komplexer, zugleich aber auch stabiler werden. Diese Umformung ist weitgehend ein blinder evolutionärer Prozess – weil das eine scheitert, setzt sich das Neue, überlebensfähig, durch. Das macht einen zunächst schwindelig, aber dann erweist es seinen inneren Sinn: Zukunftsfähig ist das, was die Paradoxien auf einer neuen Ebene verbindet.

Dieser Prozess der Komplexierung – nicht zu verwechseln mit Komplizierung – kann aber auch von Menschen bewusst gestaltet werden. Diejenigen, die das können, die die Sprache der kommenden Komplexität sprechen, werden die Führer von Morgen sein. Die werdenden Hoffnungsträger. Die kommenden Gretas.

„Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen.”

Slavo Zizek im Höhepunkt der Coronakrise Mitte März

Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story, ein Narrativ, das weit in die Zukunft weist. Eine der stärksten Visionen, die das Coronavirus hinterlässt, sind die musizierenden Italiener auf den Balkonen. Die zweite Vision senden uns die Satellitenbilder, die plötzlich die Industriegebiete Chinas und Italiens frei von Smog zeigen. 2020 wird der CO&sub2;-Ausstoss der Menschheit zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache wird etwas mit uns machen.

Wenn das Virus so etwas kann – können wir das womöglich auch? Vielleicht war der Virus nur ein Sendbote aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft gibt.

Aber sie kann sich neu erfinden.
System reset.
Cool down!
Musik auf den Balkonen!

So geht Zukunft.

Quelle: www.horx.com und www.zukunftsinstitut.de.

Zu den Folgen des aktuellen Ausnahmezustandes fielen den Teilnehmer*innen auch viele positive Auswirkungen ein:

    • Entschleunigung
    • Zeit für die Familie
    • Überdenken der eigenen Werte
    • Die aktuellen Hygienemaßnahmen bleiben auch zukünftig eingelernt und schützen vor Erkrankungen
    • Umdenken und Aufwertung der Pflegeberufe
    • Weg vom Ich und Zurück zum Gemeinschaftsdenken

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Einen weiteren Denkanstoß zur derzeitigen Lage liefert uns der Trend- und Zukunftsforscher, Publizist und Visionär Matthias Horx. Wir sind auf einen äußerst interessanten Text gestoßen, in dem er die aktuellen Geschehnisse und Veränderungen durch den Corona-Virus auf eine ganz eigene Art und Weise beleuchtet. Wir möchten diese Zeilen gerne mit Ihnen teilen & Sie zum Nachdenken anregen:

 

48 – Die Welt nach Corona

Die Corona-Rückwärts-Prognose: Wie wir uns wundern werden, wenn die Krise „vorbei” ist

Ich werde derzeit oft gefragt, wann Corona denn „vorbei sein wird”, und alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Meine Antwort: Niemals. Es gibt historische Momente, in denen die Zukunft ihre Richtung ändert. Wir nennen sie Bifurkationen. Oder Tiefenkrisen. Diese Zeiten sind jetzt.

Die Welt as we know it löst sich gerade auf. Aber dahinter fügt sich eine neue Welt zusammen, deren Formung wir zumindest erahnen können. Dafür möchte ich Ihnen eine Übung anbieten, mit der wir in Visionsprozessen bei Unternehmen gute Erfahrungen gemacht haben. Wir nennen sie die RE-Gnose. Im Gegensatz zur PRO-Gnose schauen wir mit dieser Technik nicht »in die Zukunft«. Sondern von der Zukunft aus ZURÜCK ins Heute. Klingt verrückt? Versuchen wir es einmal:

Die Re-Gnose: Unsere Welt im Herbst 2020

Stellen wir uns eine Situation im Herbst vor, sagen wir im September 2020. Wir sitzen in einem Straßencafe in einer Großstadt. Es ist warm, und auf der Strasse bewegen sich wieder Menschen. Bewegen sie sich anders? Ist alles so wie früher? Schmeckt der Wein, der Cocktail, der Kaffee, wieder wie früher? Wie damals vor Corona? Oder sogar besser? Worüber werden wir uns rückblickend wundern?

Wir werden uns wundern, dass die sozialen Verzichte, die wir leisten mussten, selten zu Vereinsamung führten. Im Gegenteil. Nach einer ersten Schockstarre führten viele von sich sogar erleichtert, dass das viele Rennen, Reden, Kommunizieren auf Multikanälen plötzlich zu einem Halt kam. Verzichte müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, sondern können sogar neue Möglichkeitsräume eröffnen. Das hat schon mancher erlebt, der zum Beispiel Intervallfasten probierte – und dem plötzlich das Essen wieder schmeckte. Paradoxerweise erzeugte die körperliche Distanz, die der Virus erzwang, gleichzeitig neue Nähe. Wir haben Menschen kennengelernt, die wir sonst nie kennengelernt hätten. Wir haben alte Freunde wieder häufiger kontaktiert, Bindungen verstärkt, die lose und locker geworden waren. Familien, Nachbarn, Freunde, sind näher gerückt und haben bisweilen sogar verborgene Konflikte gelöst.

Die gesellschaftliche Höflichkeit, die wir vorher zunehmend vermissten, stieg an.

Jetzt im Herbst 2020 herrscht bei Fussballspielen eine ganz andere Stimmung als im Frühjahr, als es jede Menge Massen-Wut-Pöbeleien gab. Wir wundern uns, warum das so ist.

Wir werden uns wundern, wie schnell sich plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewährten. Tele- und Videokonferenzen, gegen die sich die meisten Kollegen immer gewehrt hatten (der Business-Flieger war besser) stellten sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Lehrer lernten eine Menge über Internet-Teaching. Das Homeoffice wurde für Viele zu einer Selbstverständlichkeit – einschließlich des Improvisierens und Zeit-Jonglierens, das damit verbunden ist.

Gleichzeitig erlebten scheinbar veraltete Kulturtechniken eine Renaissance. Plötzlich erwischte man nicht nur den Anrufbeantworter, wenn man anrief, sondern real vorhandene Menschen. Das Virus brachte eine neue Kultur des Langtelefonieren ohne Second Screen hervor. Auch die »messages« selbst bekamen plötzlich eine neue Bedeutung. Man kommunizierte wieder wirklich. Man ließ niemanden mehr zappeln. Man hielt niemanden mehr hin. So entstand eine neue Kultur der Erreichbarkeit. Der Verbindlichkeit.

Menschen, die vor lauter Hektik nie zur Ruhe kamen, auch junge Menschen, machten plötzlich ausgiebige Spaziergänge (ein Wort, das vorher eher ein Fremdwort war). Bücher lesen wurde plötzlich zum Kult.

Reality Shows wirkten plötzlich grottenpeinlich. Der ganze Trivia-Trash, der unendliche Seelenmüll, der durch alle Kanäle strömte. Nein, er verschwand nicht völlig. Aber er verlor rasend an Wert.
Kann sich jemand noch an den Political-Correctness-Streit erinnern? Die unendlich vielen Kulturkriege um … ja um was ging da eigentlich?

Krisen wirken vor allem dadurch, dass sie alte Phänomene auflösen, über-flüssig machen…
Zynismus, diese lässige Art, sich die Welt durch Abwertung vom Leibe zu halten, war plötzlich reichlich out.
Die Übertreibungs-Angst-Hysterie in den Medien hielt sich, nach einem kurzen ersten Ausbruch, in Grenzen.

Nebenbei erreichte auch die unendliche Flut grausamster Krimi-Serien ihren Tipping Point.

Wir werden uns wundern, dass schließlich doch schon im Sommer Medikamente gefunden wurden, die die Überlebensrate erhöhten. Dadurch wurden die Todesraten gesenkt und Corona wurde zu einem Virus, mit dem wir eben umgehen müssen – ähnlich wie die Grippe und die vielen anderen Krankheiten. Medizinischer Fortschritt half. Aber wir haben auch erfahren: Nicht so sehr die Technik, sondern die Veränderung sozialer Verhaltensformen war das Entscheidende. Dass Menschen trotz radikaler Einschränkungen solidarisch und konstruktiv bleiben konnten, gab den Ausschlag. Die human-soziale Intelligenz hat geholfen. Die vielgepriesene Künstliche Intelligenz, die ja bekanntlich alles lösen kann, hat dagegen in Sachen Corona nur begrenzt gewirkt.

Damit hat sich das Verhältnis zwischen Technologie und Kultur verschoben. Vor der Krise schien Technologie das Allheilmittel, Träger aller Utopien. Kein Mensch – oder nur noch wenige Hartgesottene – glauben heute noch an die große digitale Erlösung. Der große Technik-Hype ist vorbei. Wir richten unsere Aufmerksamkeiten wieder mehr auf die humanen Fragen: Was ist der Mensch? Was sind wir füreinander?

Wir staunen rückwärts, wieviel Humor und Mitmenschlichkeit in den Tagen des Virus tatsächlich entstanden ist.

Wir werden uns wundern, wie weit die Ökonomie schrumpfen konnte, ohne dass so etwas wie »Zusammenbruch« tatsächlich passierte, der vorher bei jeder noch so kleinen Steuererhöhung und jedem staatlichen Eingriff beschworen wurde. Obwohl es einen »schwarzen April« gab, einen tiefen Konjunktureinbruch und einen Börseneinbruch von 50 Prozent, obwohl viele Unternehmen pleitegingen, schrumpften oder in etwas völlig anderes mutierten, kam es nie zum Nullpunkt. Als wäre Wirtschaft ein atmendes Wesen, das auch dösen oder schlafen und sogar träumen kann.

Heute im Herbst, gibt es wieder eine Weltwirtschaft. Aber die Globale Just-in-Time-Produktion, mit riesigen verzweigten Wertschöpfungsketten, bei denen Millionen Einzelteile über den Planeten gekarrt werden, hat sich überlebt. Sie wird gerade demontiert und neu konfiguriert. Überall in den Produktionen und Service-Einrichtungen wachsen wieder Zwischenlager, Depots, Reserven. Ortsnahe Produktionen boomen, Netzwerke werden lokalisiert, das Handwerk erlebt eine Renaissance. Das Global-System driftet in Richtung GloKALisierung: Lokalisierung des Globalen.

Wir werden uns wundern, dass sogar die Vermögensverluste durch den Börseneinbruch nicht so schmerzen, wie es sich am Anfang anfühlte. In der neuen Welt spielt Vermögen plötzlich nicht mehr die entscheidende Rolle. Wichtiger sind gute Nachbarn und ein blühender Gemüsegarten.

Könnte es sein, dass das Virus unser Leben in eine Richtung geändert hat, in die es sich sowieso verändern wollte?

RE-Gnose: Gegenwartsbewältigung durch Zukunfts-Sprung

Warum wirkt diese Art der »Von-Vorne-Szenarios« so irritierend anders als eine klassische Prognose? Das hängt mit den spezifischen Eigenschaften unseres Zukunfts-Sinns zusammen. Wenn wir »in die Zukunft« schauen, sehen wir ja meistens nur die Gefahren und Probleme »auf uns zukommen«, die sich zu unüberwindbaren Barrieren türmen. Wie eine Lokomotive aus dem Tunnel, die uns überfährt. Diese Angst-Barriere trennt uns von der Zukunft. Deshalb sind Horror-Zukünfte immer am Einfachsten darzustellen.

Re-Gnosen bilden hingegen eine Erkenntnis-Schleife, in der wir uns selbst, unseren inneren Wandel, in die Zukunftsrechnung einbeziehen. Wir setzen uns innerlich mit der Zukunft in Verbindung, und dadurch entsteht eine Brücke zwischen Heute und Morgen. Es entsteht ein »Future Mind« – Zukunfts-Bewusstheit.

Wenn man das richtig macht, entsteht so etwas wie Zukunfts-Intelligenz. Wir sind in der Lage, nicht nur die äußeren »Events«, sondern auch die inneren Adaptionen, mit denen wir auf eine veränderte Welt reagieren, zu antizipieren.

Das fühlt sich schon ganz anders an als eine Prognose, die in ihrem apodiktischen Charakter immer etwas Totes, Steriles hat. Wir verlassen die Angststarre und geraten wieder in die Lebendigkeit, die zu jeder wahren Zukunft gehört.

Wir alle kennen das Gefühl der geglückten Angstüberwindung. Wenn wir für eine Behandlung zum Zahnarzt gehen, sind wir schon lange vorher besorgt. Wir verlieren auf dem Zahnarztstuhl die Kontrolle und das schmerzt, bevor es überhaupt wehtut. In der Antizipation dieses Gefühls steigern wir uns in Ängste hinein, die uns völlig überwältigen können. Wenn wir dann allerdings die Prozedur überstanden haben, kommt es zum Coping-Gefühl: Die Welt wirkt wieder jung und frisch und wir sind plötzlich voller Tatendrang.

Coping heißt: bewältigen. Neurobiologisch wird dabei das Angst-Adrenalin durch Dopamin ersetzt, eine Art körpereigener Zukunfts-Droge. Während uns Adrenalin zu Flucht oder Kampf anleitet (was auf dem Zahnarztstuhl nicht so richtig produktiv ist, ebenso wenig wie beim Kampf gegen Corona), öffnet Dopamin unsere Hirnsynapsen: Wir sind gespannt auf das Kommende, neugierig, vorausschauend. Wenn wir einen gesunden Dopamin-Spiegel haben, schmieden wir Pläne, haben Visionen, die uns in die vorausschauende Handlung bringen.

Erstaunlicherweise machen viele in der Corona-Krise genau diese Erfahrung. Aus einem massiven Kontrollverlust wird plötzlich ein regelrechter Rausch des Positiven. Nach einer Zeit der Fassungslosigkeit und Angst entsteht eine innere Kraft. Die Welt »endet«, aber in der Erfahrung, dass wir immer noch da sind, entsteht eine Art Neu-Sein im Inneren.

Mitten im Shut-Down der Zivilisation laufen wir durch Wälder oder Parks, oder über fast leere Plätze. Aber das ist keine Apokalypse, sondern ein Neuanfang.

So erweist sich: Wandel beginnt als verändertes Muster von Erwartungen, von Wahr-Nehmungen und Welt-Verbindungen. Dabei ist es manchmal gerade der Bruch mit den Routinen, dem Gewohnten, der unseren Zukunfts-Sinn wieder freisetzt. Die Vorstellung und Gewissheit, dass alles ganz anders sein könnte – auch im Besseren.

Vielleicht werden wir uns sogar wundern, dass Trump im November abgewählt wird. Die AFD zeigt ernsthafte Zerfransens-Erscheinungen, weil eine bösartige, spaltende Politik nicht zu einer Corona-Welt passt. In der Corona-Krise wurde deutlich, dass diejenigen, die Menschen gegeneinander aufhetzen wollen, zu echten Zukunftsfragen nichts beizutragen haben. Wenn es ernst wird, wird das Destruktive deutlich, das im Populismus wohnt.

Politik in ihrem Ur-Sinne als Formung gesellschaftlicher Verantwortlichkeiten bekam dieser Krise eine neue Glaubwürdigkeit, eine neue Legitimität. Gerade weil sie »autoritär« handeln musste, schuf Politik Vertrauen ins Gesellschaftliche. Auch die Wissenschaft hat in der Bewährungskrise eine erstaunliche Renaissance erlebt. Virologen und Epidemiologen wurden zu Medienstars, aber auch »futuristische« Philosophen, Soziologen, Psychologen, Anthropologen, die vorher eher am Rande der polarisierten Debatten standen, bekamen wieder Stimme und Gewicht.

Fake News hingegen verloren rapide an Marktwert. Auch Verschwörungstheorien wirkten plötzlich wie Ladenhüter, obwohl sie wie saures Bier angeboten wurden.

Ein Virus als Evolutionsbeschleuniger

Tiefe Krisen weisen obendrein auf ein weiteres Grundprinzip des Wandels hin: Die Trend-Gegentrend-Synthese.

Die neue Welt nach Corona – oder besser mit Corona – entsteht aus der Disruption des Megatrends Konnektivität. Politisch-ökonomisch wird dieses Phänomen auch »Globalisierung« genannt. Die Unterbrechung der Konnektivität – durch Grenzschließungen, Separationen, Abschottungen, Quarantänen – führt aber nicht zu einem Abschaffen der Verbindungen. Sondern zu einer Neuorganisation der Konnektome, die unsere Welt zusammenhalten und in die Zukunft tragen. Es kommt zu einem Phasensprung der sozio-ökonomischen Systeme.

Die kommende Welt wird Distanz wieder schätzen – und gerade dadurch Verbundenheit qualitativer gestalten. Autonomie und Abhängigkeit, Öffnung und Schließung, werden neu ausbalanciert. Dadurch kann die Welt komplexer, zugleich aber auch stabiler werden. Diese Umformung ist weitgehend ein blinder evolutionärer Prozess – weil das eine scheitert, setzt sich das Neue, überlebensfähig, durch. Das macht einen zunächst schwindelig, aber dann erweist es seinen inneren Sinn: Zukunftsfähig ist das, was die Paradoxien auf einer neuen Ebene verbindet.

Dieser Prozess der Komplexierung – nicht zu verwechseln mit Komplizierung – kann aber auch von Menschen bewusst gestaltet werden. Diejenigen, die das können, die die Sprache der kommenden Komplexität sprechen, werden die Führer von Morgen sein. Die werdenden Hoffnungsträger. Die kommenden Gretas.

„Wir werden durch Corona unsere gesamte Einstellung gegenüber dem Leben anpassen – im Sinne unserer Existenz als Lebewesen inmitten anderer Lebensformen.”

Slavo Zizek im Höhepunkt der Coronakrise Mitte März

Jede Tiefenkrise hinterlässt eine Story, ein Narrativ, das weit in die Zukunft weist. Eine der stärksten Visionen, die das Coronavirus hinterlässt, sind die musizierenden Italiener auf den Balkonen. Die zweite Vision senden uns die Satellitenbilder, die plötzlich die Industriegebiete Chinas und Italiens frei von Smog zeigen. 2020 wird der CO&sub2;-Ausstoss der Menschheit zum ersten Mal fallen. Diese Tatsache wird etwas mit uns machen.

Wenn das Virus so etwas kann – können wir das womöglich auch? Vielleicht war der Virus nur ein Sendbote aus der Zukunft. Seine drastische Botschaft lautet: Die menschliche Zivilisation ist zu dicht, zu schnell, zu überhitzt geworden. Sie rast zu sehr in eine bestimmte Richtung, in der es keine Zukunft gibt.

Aber sie kann sich neu erfinden.
System reset.
Cool down!
Musik auf den Balkonen!

So geht Zukunft.

Quelle: www.horx.com und www.zukunftsinstitut.de.

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